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Volkstrauertag 2024
Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger,
wer morgens die Zeitung aufschlägt oder regelmäßig Nachrichten schaut, dem wird es nicht an Anlässen zum Gedenken am diesjährigen Volkstrauertag fehlen. Der immer noch währende Krieg zwischen dem Aggressor Russland und der Ukraine, aber auch der Krieg im Nahen Osten, stimmen mehr als nachdenklich.
Und es ist immer das Gleiche: Beide Seiten berichten von „Erfolgen“ und rechtfertigen ihre Taten, währenddessen sieht man die Fliehenden, die Zerstörungen, den Kummer und das Leid – auch auf beiden Seiten des Konflikts. Fragen nach Gründen rücken spätestens, wenn Krankenhäuser oder Kinder als Schutzschilde missbraucht und in der Folge dann auch beschossen werden in den Hintergrund und man fragt sich einfach nur noch: „Wieso?“. Braucht es in der heutigen Zeit wirklich noch Geländegewinne oder die Vernichtung Andersdenkender oder kann man, in einer Zeit, in der eigentlich alles vorhanden ist, nicht einfach miteinander leben und den Nachbarn so akzeptieren, wie er ist, auf gegenseitiger Augenhöhe?
Gerade deshalb sind Bündnisse wie unsere Europäische Union oder auch die NATO so wichtig. Gemeinsame Abkommen und Ziele sind für alle Mitglieder von Vorteil. Und wenn es am Ende die Abschreckung ist, bei der sich ein Aggressor überlegt, ob er gegen ein Bündnis „Erfolg“ haben kann, dann ist dies zwar mehr als traurig, dass man so denken muss, aber doch auch ein Argument für diese Zusammenschlüsse.
Auch in unserer Gemeinde sollten wir uns immer an unsere Vergangenheit erinnert fühlen. Vor wenigen Wochen, an Erntedank, konnten Gedenktafeln für die Försterfamilie am früheren Brönnhof, sowie für den Aufenthalt des Schwedenkönigs Gustav Adolf in Madenhausen übergeben werden. Man hätte diese auch einfach verfallen lassen können, denn: Was muss man sich denn heute noch daran erinnern? Doch ist es genau das Erinnern, dass am heutigen Volkstrauertag im Vordergrund stehen muss. Sind es am Brönnhof und in Madenhausen eher lokale geschichtliche Begebenheiten, so sind es an unseren Mahnmalen der Kriege die Dinge, die keinesfalls in Vergessenheit geraten dürfen. Wenn ich über die Ergebnisse der Wahlen in Deutschland aber auch in Europa nachdenke, dann frage ich mich, ob das nicht schon längst geschieht.
Jeder sollte sich bewusst sein, wenn er Parteien wählt, die in ihren Reihen neonazistisches Gedankengut tolerieren, der wählt nicht aus Protest, der wählt auch nicht, um den anderen Parteien einen Denkzettel zu verpassen, sondern der wählt schlicht und ergreifend rechts und beschwört genau das herauf, was wir in unserer Vergangenheit längst hinter uns gelassen zu haben glaubten!
Wieder wird auf Minderheiten losgegangen. Ein Beispiel hierfür ist die aktuelle Migrationsdebatte. Wir lassen uns an dieser Stelle dermaßen verunsichern, dass wir Vorurteile für bare Münze nehmen, statt uns mit den Tatsachen auseinanderzusetzen. Es gibt sicherlich den ein oder anderen, dem ein Bleiberecht nicht in Aussicht gestellt werden kann. Zudem gar Kriminelle, deren Taten wir mitnichten tolerieren dürfen. Doch auch an dieser Stelle ist eine vorschnelle Abschiebung in Länder, in denen diese Menschen am Ende strafrechtlich nicht einmal belangt werden, oder gar für ihre Taten noch gefeiert werden, keine Lösung. Da ist es besser sie in unserem Land bestrafen und für Ihre Taten auch zur Rechenschaft zu ziehen. Die Gruppe der kriminellen Migranten ist jedoch ein sehr geringer Prozentsatz. Es ist doch viel eher so, dass Integration seit Jahrzehnten erfolgreich stattfindet. Zudem brauchen wir die Zuwanderung, Fachkräftemangel ist hier das Stichwort. Und statt nur an Kriminelle, sollten wir lieber an die vielen Ärzte, Pflegefachkräfte, Imbissbuden- und Gaststättenbetreiber, Baufachkräfte und viele mehr denken, die zu uns kommen wollen, bzw. bereits zu uns gekommen sind. Viele von uns haben Nachbarn oder gar Familienmitglieder, die vor langer Zeit zugewandert sind, die aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind, diesen bereichern und die sich hervorragend integriert haben. Dies ist sicher nichts Schlechtes und schon gar nichts, vor dem man sich fürchten muss. Dennoch lassen wir in uns die Angst heraufbeschwören, dass unsere Kinder nicht sicher zum Bus gehen oder sich am Nachmittag auf irgendeinem Platz aufhalten können. Für mich persönlich sind daher Mitglieder von Parteien, die planen Migranten systematisch zu katalogisieren, zu sammeln und am Ende abzuschieben, nicht weit von unserer dunkelsten Vergangenheit entfernt und somit keinesfalls als demokratisch denkend oder gar wählbar zu bezeichnen.
Hilfesuchenden, denen wir mit zu viel Bürokratie begegnen, die viel zu lange in Unterkünften ausharren müssen, bis ihnen eine Perspektive geboten wird und denen dann nur mit Misstrauen begegnet wird, werden irgendwann, alleine schon aufgrund der langen Dauer und aus Langeweile auffällig. Daran muss gearbeitet werden und zwar von allen Parteien und - längst überfällig - ganz Europa zusammen. Solche, manchmal auch komplexen, Lösungen zu finden erfordert jedoch Verantwortung und Leistungsbereitschaft, anders als das sich vermeintlich so wunderbar einfach anhörende „Wir schließen die Grenzen!“
Begegnen wir daher dem Volkstrauertag mit der entsprechenden Würde. Lassen Sie uns gemeinsam den Folgen der Kriege und der Opfer gedenken. Entgegen dem Vergessen!
Ihr BürgermeisterJohannes Grebner
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